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Archiv-Artikel

Wie auf dem Pausenhof

Zum Rückrundenstart tun sich die selbst ernannten Uefa-Cup-Kandidaten Hertha BSC Berlin und Hannover 96 äußerst schwer und trennen sich nach einem unansehnlichen Duell mit 1:1

AUS BERLIN ANDREAS RÜTTENAUER

Die Fans der Hertha waren sauer. In allerletzter Minute war ihrem Team der Ausgleich gegen die dezimierten Gäste aus Hannover gelungen. Doch mehr als einen kurzen Aufschrei der Freude brachten auch die ganz Eingefleischten nicht mehr heraus. Der Aufforderung des Stadionsprechers, das Olympiastadion nicht zu verlassen, weil es noch etwas ganz Besonderes zu sehen gebe, leistete so gut wie niemand Folge. Und so stieg das fulminante Feuerwerk, das ein Sponsor den Fans spendiert hatte, vor leeren Rängen in den Himmel über Berlin. Einer immerhin staunte nicht schlecht: „Die spielen 1:1 gegen Hannover und zünden gleich ein Feuerwerk“, meinte Gästetrainer Peter Neururer kopfschüttelnd.

Die Berliner sind in der Tat eine wunderliches Grüppchen. Hertha-Manager Dieter Hoeneß hatte seine kriselnde Mannschaft mit einer ganz speziellen Aufgabe in die Winterpause geschickt. Die Spieler sollten einen Besinnungsaufsatz verfassen mit dem Thema: Was bedeutet mir Hertha BSC? Doch jenes Mannschaftsgefühl, nachdem kürzlich der offizielle WM-Ball benannt wurde, hat sich auch mit Hilfe der Hoeneß’schen Hausaufgabe nicht einstellen wollen. Als eine vom Teamgeist beseelte Mannschaft präsentierten sich die Berliner beim Rückrundenauftakt gegen Hannover 96 nun wahrlich nicht. Nico Kovac spielte beinahe nur Fehlpässe, die spärlichen Ideen von Spielmacher Marcelinho wurden von den Mitspielern meist nicht verstanden, und ein Rezept, wie der Abwehrriegel, den die Gäste um ihren Strafraum aufgebaut hatten, zu überwinden sei, wollte den Berlinern auch nicht einfallen.

Dabei war Hertha ab der 44. Minute in Überzahl. Altin Lala, der Gästekapitän, hatte nach einem seiner Meinung nach unberechtigten Freistoßpfiff den Ball weggeschlagen, wofür er mit Gelb-Rot bestraft wurde. Als „zu umständlich“ bezeichnete Falko Götz die Versuche seiner Mannschaft, die Führung der Gäste, die Christoph Dabrowski nach dem ersten Angriff der Hannoveraner in der 13. Minute erzielt hatte, auszugleichen. Doch ganz unzufrieden war Götz nicht. Er dürfte allerdings der Einzige gewesen sein, der so etwas wie Feuer im Herthateam entdeckt hatte. „Ich glaube, dass die Mannschaft von der Moral her nie aufgegeben hat“, meinte er. Und genau dafür sei sie mit dem Ausgleich durch Dick van Burik in der Nachspielzeit belohnt worden. Sprach’s und lehnte sich zurück. Ein leichtes Grinsen umspielte den Mund, der Hertha-Trainer wirkte in seinem babyblauen Kapuzenpullover wie ein verwöhntes Jüngelchen, dem ein wenig der Blick für die Realität abhanden gekommen ist.

Hertha steht immer noch auf Platz fünf der Tabelle, die Berliner haben durch die Niederlagen der direkten Konkurrenten aus Mönchengladbach und Stuttgart ihren Platz sogar ein wenig gefestigt. Und auch ein weiteres Heranrücken der unter ihrem immer noch frischen Coach Neururer aufstrebenden Hannoveraner konnte abgewendet werden. Alles in Ordnung also? Das kann eigentlich nur so sehen, wer keine Probleme hat mit dem arroganten und uninspirierten Auftritt einer Mannschaft, die als fünftbestes Team der Liga den deutschen Fußball international vertreten will. Bisweilen erinnerte das Gebaren der Berliner auf dem Platz an eine ungehobelte Pausenhofgang mit Hobby Rudelbildung. Ständig wurde Schiedsrichter Wolfgang Stark belagert. Kam wieder einmal ein Pass nicht an, meckerten meist zwei Spieler: der Fehlpassgeber und derjenige, der nicht an den Ball gekommen ist. Kurzum: Es war ein erbärmliches Bild, das die Berliner abgaben.

Aber auch von den Gästen kann nicht viel Gutes berichtet werden. Dass die dezimierten Gäste sich am Ende eingeigelt haben, mag noch nachvollziehbar sein. Dass sie Fußball spielen können, haben sie vor Lalas Roter Karte allerdings auch nur zwei Mal kurz aufblitzen lassen. Dennoch sprachen beide Trainer nach dem Spiel von Platz fünf, vom Uefa-Cup, von höheren Zielen. Die mögen sie mit ihren Mannschaften ja erreichen können – auch angesichts einer nicht gerade überragenden Konkurrenz in der Liga. In Europa für Furore werden sie mit ihrem biederen Handwerk indes sicher nicht sorgen können.

Hertha BSC: Fiedler - Schröder (56. Neuendorf), Friedrich, van Burik, Fathi - Cairo, Kovac (56. Okoronkwo), Gilberto (6. Boateng) - Bastürk, Marcelinho - Pantelic Hannover 96: Enke - Cherundolo, Vinicius, Zuraw, Tarnat - Balitsch, Lala, Dabrowski - Stajner (46. Yankow), Hashemian (74. Sousa), Brdaric (63. Delura) Zuschauer: 33.740; Tore: 0:1 Dabrowski (12.), 1:1 van Burik (90.+1); Gelb-Rote Karte: Lala (45./wiederholtes Foulspiel)